Medizin, Biologie und Landwirtschaft

Artikel .1073 vom 15.06.2020


Eine außerordentlich glückliche, fruchtbare Zusammenschau. Lerne ich soeben aus dem Brief eines Kollegen, eines Facharztes. Der ist Arzt und Biologe.

So etwas habe ich noch nie gelesen. Und das will tatsächlich etwas heißen. Ich war einfach nur baff.

Beweist wieder einmal, dass Menschen mit weitgefächerter Bildung auch ungewöhnliche Ideen haben können. Heißt übersetzt: Liebe Eltern, nutzt das vielfältige Bildungsangebot, das wir hier im glücklichen Deutschland haben. Auch wenn der Sohnemann einen Flunsch zieht...

Die kurze Einleitung ist auch für mich ein bisschen ungewöhnlich, weil der Brief so einzigartig dasteht. Also geb´ ich ihn Ihnen möglichst unverfälscht wörtlich weiter.

Hintergrund: Sie finden hier eine neue Idee, wenn es um Ihre Gesundheit geht. Warum nicht tatsächlich einmal einen Tierarzt fragen? Das ist, bitte, bitte nicht beleidigend gemeint. Sie wissen, dass ich tierärztliche Kenntnisse hoch schätze und auch in meine Behandlung (Thema Kinderwunsch) einfließen lasse.

Dann also zu dem Brief. Der Kollege hat mir erlaubt, seinen Text vor Ihnen auszubreiten:

„Bei meiner Frau wurde vor zwei Jahren festgestellt, dass ein Milchmangel besteht, so dass unsere voll gestillte Tochter über mehrere Wochen hinweg teils stündlich, einschließlich der Nachtstunden, an die Brust wollte. Durch Konsultation einer kompetenten Kollegin wurde Domperidon verordnet, welches zu einer Erhöhung des Hormons Prolaktin und damit zu einer Steigerung der Milchmenge führt. Diese Intervention war rasch erfolgreich und erfreulicherweise für uns ohne Nebenwirkungen.

Im Rahmen der ersten Stillzeit kam es auch zu einem Haarausfall, der entgegen der landläufigen Meinung, es handle sich um „die Hormone“, auf einen biochemisch nachweisbaren Biotinmangel (Biotin i.S. 98,9 ng/L, Ref >250ng/L) zurückführbar war und unter Supplementation umgehend sistierte.

Bei unserem zweiten Kind trat einige Wochen nach Geburt erneut ein Milchmangel ein. Auch hier war die Therapie mit Domperidon erfolgreich. Ebenso trat ein erneuter Haarausfall auf. Weder die Blindsupplementation mit Biotin, Zink, Vitamin B6, oder Vitamin C brachten einen Erfolg. Rein versuchsweise begannen wir mit der Gabe von Methionin (dreimal täglich 1 Gramm). Der Haarausfall besserte sich nur wenig zufriedenstellend, allerdings stieg unerwartet binnen zwei Tagen die Milchmenge derart, dass Domperidon vollständig abgesetzt werden konnte. Dafür haben wir nun eine praktisch nebenwirkungsfreie und auch kostengünstigere Lösung für den Milchmangel.

Bei meinen anschließenden Recherchen, ob dieser Effekt schon bekannt wäre, war nichts in den humanmedizinischen Veröffentlichungen zu finden, von einer Antwort auf das „Warum“ ganz zu schweigen. Aber: In der kommerziellen Landwirtschaft werden seit Jahren mit Erfolg Lysin und Methionin zur Milchmengensteigerung bei Kühen verwendet.

Ich bin derart enttäuscht, dass eine solch einfache Transferaufgabe aus der Tiermedizin in die Humanmedizin bisher nirgendwo gelöst, dokumentiert und veröffentlicht wurde.

Sie, Herr Kollege, hätten es bestimmt im Aminogramm gesehen.“

Was hier Ihnen alles an Wissen dargeboten wird! Haben Sie aufgepasst?

  • Klassische Schulmedizin kann eben doch helfen: Thema Prolaktin, Milchmenge.
  • Klassische Schulmedizin kann auch versagen: Haarausfall seien „die Hormone“. Häufig genug geäußerte Vermutung. Molekularmedizin (Vitamine) wussten es besser.
  • Erneuter Haarausfall: Blinde Vitamine & Co.- Gabe hilft eben oft genug nicht. Man hätte messen sollen. Meine Vermutung: Autoimmuner Hintergrund.
  • Methionin, eine (harmlose) Aminosäure wirkt besser als ein Präparat (Domperidon) mit Nebenwirkungen. Klassische Molekularmedizin.
  • Und jetzt kommt´s: Prompt schon längst bekannt. Da, wo es wirklich darauf ankommt. In der Tiermedizin.

Darauf ankommt? Ach du meine Güte: Solche Tiere, eine Milchkuh kosten Geld!!! Ergänzen Sie den Satz bitte selbst.

Der letzte Satz mit dem Aminogramm hat mich (natürlich) besonders gefreut. Genau deshalb ist unsere Blutanalyse ja so umfangreich. Glauben Sie, es macht Spaß, jede Nacht stundenlang die unzähligen Laborwerte zu studieren und zu interpretieren? An der Uniklinik hatte ich es leichter: Ein paar Blutwerte, kaum einer wurde besprochen, sondern es wurde in der Regel summarisch gesagt: Alles in Ordnung. Sie kennen das Verfahren.

Natürlich ist genau dieser Unterschied im Umgang mit einer Blutanalyse der Grund, weshalb Sie jeden Tag diese langen, langen Wege über deutsche Autobahnen oder mit dem Flugzeug auf sich nehmen. Ich bin alt und unabhängig genug, um das zu bedauern. Weshalb sitzt nicht in jeder deutschen Stadt solch ein hilfreicher Molekularmediziner?

Meine kluge Frau kann Ihnen das ganz präzise beantworten. Jede Nacht schimpft sie mich einen Idio...

Einverstanden. Nur: So lange solche außergewöhnlichen Briefe geschrieben werden, die schlussendlich beim Aminogramm landen... macht mir das Ganze jedenfalls riesigen Spaß.

Lieber Kollege, ich ziehe tief den Hut. Mit großem Respekt...

PS: Der Kollege ist Facharzt, Diplom-Biologe und hat die Größe, auch die Tiermedizin zu konsultieren. Glänzende Idee. Hat sich ja auch prompt gelohnt.

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