Propionat: Eine kleine, feine Entdeckung

Artikel #971 vom 20.08.2018


Medizin ist menschengemacht. Also finden Sie gewohnte Denkstrukturen, gewohnt aus Wirtschaft und Politik, auch in der Medizin wieder. Daher verwundert es uns alle nicht, dass auch die Medizin immer kämpft.

Kämpft gegen das Böse: Gegen Bakterien, gegen Viren, gegen auto-immune Mechanismen, gegen entartete Zellen (Krebs) usw. Wenn Mediziner sich einmal zurücklehnen würden, würde ihnen – am Beispiel Politik – auffallen, dass man

  • die Feinde nie ganz tot kriegt
  • immer neue Feinde auftauchen

Ich muss das jetzt nicht am Beispiel der neuesten Geschichte erläutern. Das Kampf-Prinzip gibt es, seit es Menschen gibt. Es wird mit Freude und Lust gekämpft. Dass man, global gesehen, stets nur verliert, fällt offenbar niemandem auf. Auch in der Medizin nicht. Ein Beispiel für mich das Tropen-Institut. Was glauben Sie, welche seltsamen Erreger die dort erforschen, für Sie finden, analysieren. Immer wieder neue. Das hört nie auf. Viele von Ihnen suchen ja ihr ganzes Leben nach den Schuldigen. Den bösen Erregern, die Ihnen Lebensfreude und Lebensenergie rauben. Nun: Diese Suche währet ewig….

Ein völlig anderes Prinzip wäre es, sich Mauern zu bauen. Einen Schutzschild. Der unüberwindlich wäre für jeden Angreifer. Dann müsste ich jetzt nicht um mich herum alles totschießen und totschlagen, sondern könnte in Ruhe und Frieden in meiner Burg, in meiner Festung leben. Dürfen Sie übersetzen mit dem unüberwindlichen Immunsystem.

Wenn Sie, wie Professor Uhlenbruck (inzwischen 88) vorschlägt, Ihr Immunsystem um den Faktor 5 bis 6 steigern (Zitat), dann…. was soll Ihnen dann noch passieren? Dann können Sie über Borreliose und FSME und Chlamydien bis hin zu Krebszellen nur noch müde lächeln. Ihr Schutzwall ist undurchdringlich.

Sehen Sie, dass steckt hinter dem neuen Wort Propionat. Gemeint sind kurzkettige Fettsäuren, die eine ganz raffinierte Eigenschaft haben:

  • die stimulieren und verbreiten regulatorische T-Zellen des Immunsystemes
  • können damit überschießende Entzündungsreaktionen genauso wie autoreaktive Zellen (auto-immun) bremsen

Propionsäure und ihr Salz, Propionat machen also Ihr Immunsystem stärker, bremsen gleichzeitig auto-immune, für Ihren Körper schädliche Reaktionen. Finde ich einigermaßen sensationell, diese gleichzeitige, höchst erwünschte Wirkung.

Entscheidend ist das Wort „kurzkettig“: Denn langkettige Fettsäuren lassen entzündliche Zellen z.B. in der Darmwand entstehen und sich vermehren. Dabei werden bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe wie Interleukin-17 und Gamma-Interferon gebildet. Die, nur als Beispiel, Multiple Sklerose höchst ungünstig verstärken. Sie haben das Prinzip verstanden: Nehmen wir genau diese Multiple Sklerose als besonders gravierendes Beispiel.

  • die meisten zugelassenen Therapien zielen auf eine Schwächung bzw. Blockierung der entzündlichen Komponente des Immunsystemes.
  • Propionat bedeutet im Gegenteil eine Stärkung der Abwehr, der regulatorischen Komponenten. Baut also „eine Mauer“.

Ganz praktisch: Kurzkettige Fettsäuren wie Propionsäure bzw. ihr Salz Propionat stimuliert Ihre Darmbakterien, dass Mikrobiom, diesen immunologischen Schutzwall aufzubauen. Es bedarf also unbedingt auch der Darmflora, die diesen gewünschten Effekt erst vermittelt.

Diese Forschung wird betrieben an der Ruhr-Universität Bochum sowie der Uni Erlangen seit 2015. Also nagelneu.

Vielleicht sollte man nicht warten, bis es zu spät ist. Vielleicht sollte man vorsorglich, rechtzeitig solch einen Schutzwall aufbauen. Also kurzkettige Fettsäuren schlucken und die eigenen Darmbakterien damit zum Aufbau solch eines Schutz-Systems anregen.

Wieder solch ein – oft lebensentscheidender – Gedanke, den die meisten von Ihnen interessiert zur Kenntnis nehmen, zur Seite legen. Menschen wie ich nehmen so etwas sofort praktisch ernst.

Quelle: Immunity, DOI: 10.1016/j.immuni.2015.09.007

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