Wassereinlagerungen oder: unsere Hilflosigkeit

Artikel #888 vom 19.06.2017


Mit unsere meine ich die Medizin, die Ihnen heute im Krankenhaus begegnet. Oder bei Ihrem Facharzt. Eine Hilflosigkeit, die ich selbstverständlich auch aus meinen frühen Jahren als Arzt kenne. Ich war damals erklärter, daher hilfloser Schulmediziner.

Und manchmal passt ja ein Schulmediziner ganz besonders gut zu seiner Schulmedizin. Ein wunderschönes, leider aufregendes Beispiel in der Mail von heute:

„… muss ich Ihnen danken für Ihre täglichen news, und dafür, dass Sie Ihr Wissen einfach so, kostenlos, jedem, der es denn wissen möchte, zur Verfügung stellen. Mich haben Sie damit gerettet.

Und zwar leide ich seit Jahren an Ödemen, vor allem an Beinödemen, aber auch generell an Wassereinlagerungen überall.

Und in diesen Jahren wurde ich auf den Kopf gestellt. Lymphszintigraphie (Verdacht auf Lymphödem), Herzuntersuchungen, Nierenuntersuchungen. Am Ende hieß es, es seien wohl Lipödeme, und da könne man gar nichts machen. Ich müsse mich damit abfinden. Und täglich, für den Rest meines Lebens (ich bin 33), Kompressionsstrümpfe tragen. Da ich aber auch an Neurodermitis leide, haben mich diese Strümpfe wahnsinnig gemacht. Bis ich sie schließlich in den Müll geworfen habe…

Zu den Ödemen. Ich bat meinen Endokrinologen (da ich auch noch Hashimoto habe), so viele Mineralstoffe/ Vitamine wie mögliche zu kontrollieren (wie er das abgetan hat, können Sie sich nicht vorstellen).

Und heraus kam ein massiver, wirklich massiver Kaliummangel. Aber ich sollte nicht etwa Kalium substituieren, nein, ich sollte in ein paar Wochen wiederkommen, ob dann die Werte immer noch so seien. Oder ich sollte in die Notaufnahme gehen. Hä? So schlimm, dass ich ins Krankenhaus soll, aber trotzdem ohne Kaliumpräparate einzunehmen? Ich fand das nur abenteuerlich. Sofort in die Apotheke und mir Kalinor gekauft. Die Höchstdosis täglich genommen.

Und natürlich, Sie ahnen es: Die Ödeme verschwanden. Erst wenig, mit der Zeit komplett. War fassungslos. Nach Jahren konnte ich abends keine Delle mehr auf den Schienbeinen eindrücken. Die Beine und Füße wurden leicht und schlank wie ewig nicht mehr. 2 Schuhgrößen und 2 Hosengrößen weniger.

Lipödeme!! Diese Horrordiagnose! Und am Ende war es simpler, blöder Kaliummangel.

Mein Endokrinologe kontrollierte die Werte nach ein paar Wochen, und war baff erstaunt, dass der Kaliumspiegel in der oberen Norm war. Da (erst da) sagte ich ihm, ich hätte, entgegen seinem Vorschlag, substituiert. Und was glauben Sie? Da war er sauer. Richtig sauer. Glücklich, dass es der Patientin viel besser geht? Ach nein. Weit gefehlt. Er war sauer. (Sie können doch nicht einfach auf eigene Faust etwas einnehmen…). Und ich war wütend. So wütend. Wie grob fahrlässig dieser Typ. Wie dumm. Hätte ihn am liebsten geschlagen, angeschrien. Unfassbar.

Gehe nie wieder zu ihm.

Verständlich. Viele von Ihnen, ich jedenfalls mehrfach, haben das gleiche erlebt. Auf den richtigen Topf (Schulmedizin) gibt es oft den passenden Deckel (der passende Arzt dazu).

Gelernt haben wir wieder, dass es die Moleküle sind. Dass der Mensch manchmal wirklich nur Läuse hat. Sie sollten ein bisschen Mut fassen. Auch in der Welt der Laien ist diese Story doch sensationell. Sowohl der ganze peinliche Vorgang, wie aber auch die für mich 100%ige Gewissheit, dass es am Ende des Tunnels immer (immer!) Licht gibt.

Die Molekularmedizin. Ich glaube nicht, dass einer von Ihnen, liebe Leserinnen, lieber Leser die Revolution hinter diesem Satz mitempfinden kann, wenn er nicht schon einmal selbst betroffen war. So wie die obige Mailschreiberin.

KALIUM! Was gelernt?

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