Modernste Psychotherapie

Artikel #794 vom 11.07.2016


Hilfe wird Ihnen in ganz Deutschland geboten. Wir sollten dankbar sein. Wirklich dankbar all den Ärzten, den Fachärzten, den Fachkliniken, die sich unsereins annehmen dann, wenn wir Hilfe brauchen. Angeblich ein Drittel von uns. Die wir einmal in psychische Not geraten. Ob nun Depression, Angststörung oder Burn-out… es wimmelt von Fachleuten.

Vor mir liegt der Entlassungsbericht einer solchen Spezialklinik. Eines Fach-Krankenhauses. Nach

drei Monaten Behandlung

liest sich der Entlassungsbericht wie folgt. Bitte genießen Sie die Schönheit der präzisen Ausdrucksweise. Das sind hochgelehrte Akademiker:

„Nach einem insgesamt komplizierten Behandlungsverlauf mit initial häufigen depressiven Dekompensationen, anhaltend dissoziativen Bewegungsstörungen mit vorrangiger Schwäche beider Beine, als auch Angst- und Panikphänomene assoziiert mit Reaktualisierung früherer traumatischer Erfahrungen, kam es nur allmählich zu einer Teilstabilisierung.

Die medikamentöse Einstellung zeigte sich bei jeweils rasch auftretenden Nebenwirkungen als erschwert, sodass die Behandlungsversuche mit Mirtazapin, Cipralex, Seroquel, Abilify, vorzeitig beendet werden mussten.

Die Patientin konnte ein vertieftes psychosomatisches Krankheitsverständnis und eine stabile Motivation für eine weiterführende Behandlung entwickeln, sodass die Entlassung… möglich wurde“.

Haben Sie das genossen. Wirklich? Ich hab’s mehrmals gelesen. Hier steht also

  • dass alles ganz kompliziert war. Tja. Deswegen kam die Patientin ja wohl.
  • Dass es „nur zu einer Teilstabilisierung“ kam. Also so richtig erfolgreich waren die 3 Monate wohl nicht.
  • Dass die Tabletten, ach so typisch, zwar Nebenwirkungen, aber leider keine Wirkungen zeigten. Weshalb spricht eigentlich niemand laut über diesen üblichen Effekt?
  • Dass die Patientin ein vertieftes Krankheitsverständnis entwickeln konnte.

Der letzte Punkt isses. Die ganze Behandlung resultiert also darin, dass die Patientin noch besser begreift, wie krank sie ist. Tja. Ich dachte, die wollte gesund werden? Ich dachte, so eine Klinik mit Chefarzt, mit Oberärzten, mit Assistenzärzten, mit Krankenschwestern, mit Küche, mit Wäscherei, mit Verwaltung ist dafür da, …und wenn auch nur einen einzigen Patienten gesund zu machen.

Wenn sie lange genug hier in den News, in meinen Büchern lesen, wird auch Ihnen der Verdacht kommen, dass hier etwas typisches, ein System geschildert wird. Also eben gerade nicht die Ausnahme. Dass das in der Regel so abläuft.

Woher ich das weiß? Weil ich Teil dieses Systemes war. 17 Jahre an der Universität prägen.

Es steht wirklich und ernsthaft die Frage im Raum: Wenn man Schmerzen hat, weil man die Treppe hinuntergefallen ist, ist es dann wirklich hilfreich, den Patient immer wieder die Treppe hinunter zu schmeißen? In der Hoffnung, dass der Schmerz dann weniger wird? Oder verhilft man ihm wohl eher nur zu einem „vertieften Treppenrunterfall-Verständnis“.

Ach ja: Entlassen wurde sie selbstverständlich mit schon wieder anderen Psychopharmaka. Und empfohlen wurde die „engmaschige Psychiatrische Behandlung“. Drei Monate waren offenbar nicht genug. Irgendwelche andere Therapie- Vorschläge, nämlich Epigenetik, finden Sie nicht in diesem Brief.

Ein empfindsamer, jüngerer Arzt als ich würde jetzt verzweifeln. Verzweifeln deshalb, weil er ja weiß (hoffentlich) dass es eine Alternative gibt. Dass es Heilung grundsätzlich gibt.
War früher einmal alles in diesen News nachzulesen. Jetzt sind die offiziell gelöscht. Weshalb wohl?

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